Den Versuch ists wert
Bellende Libellen,
die in Zitadellen zittern,
Kakadus aus Katmandu,
Gedärme von Gendarmen,
Halunken in Spelunken,
Silhouetten fettleibiger
Operetten-Soubretten,
Primeln für Primaten,
Hünen hinter Dünen,
elegante Elefanten,
Kanuten mit Hüten,
infantile Infanteristen,
Scharlatane in Talaren,
Gazellen in Todeszellen,
umgeben von Wänden aus Zelluloid:
An manchen Tagen,
wie zum Beispiel heute,
spreizt nur wirres Zeug
sich zum Spagat
hinter meinen Augen,
zwischen meinen Ohren,
unterhalb der Kopfhaut,
mittendrin im Hirn.
Es sprudelt mir
aus meinen Stiften
ungeordnet aufs Papier.
Von den rauen Mengen
an nutzloser Wahrnehmung
denen ich ununterbrochen
wehrlos ausgeliefert bin
(weil sie auch entgegen meinem Willen
ungefragt Besitz ergreifen
von allen meinen Sinnen)
schaffe ich leider
nur einen Bruchteil
genauso mühelos
wie aufgenommen
wieder zu vergessen.
Und so kommt es,
dass ich manchmal das,
was mir im Kopf umher rennt,
zwanghaft aufschreibe,
um nicht vollends
abzudriften.
... immer auf der Suche
nach dem Stückchen
Lebenssinn,
das mir
die ersehnte Injektion
verpasst,
mich zu erlösen
von der Angst,
eines Tages doch
zu resignieren.
Meine lyrischen Versuche
führn uns sicher nicht
zum Endsieg über
Schreib- und Leseschwäche,
gnadenlose Scheidungskriege,
mentale Manövrierunfähigkeit,
Katzenjammer, Alkoholprobleme,
Falschmeldungen in Tageszeitungen,
berufsbedingte Wirbelsäulendeformierungen
und über geplatzte Trommelfelle (oder Träume).
Aber ich vergess den Einsatz,
spiel mit meinen wahren Karten.
Entweder gewinne ich
und gönne mir
das Überleben
oder das verhasste
Alltagsgrauen
kriegt mich
und verschluckt mich
ein für allemal
auf
Nimmerwiedersehen.
Es
Warum tu ich mir das an?
- nächtelang
unglückselige, hirnzerreißende
Angstgedanken –
Es kann so nicht mehr weitergehen.
Es kann gehen
aus meinem Leben.
Es: das ewige Zweifeln,
das Halb-vier-Uhr-nachts-Telefonieren,
das Herzrhythmus-durcheinander-Bringende.
Es wird schon noch vergehen,
verblühen, verenden,
irgendwann.
Wahrscheinlich.
Vielleicht jedoch
auch nicht.
Schließlich
ist Wahnsinn
allem Anschein nach
immerhin das Einzige
im Leben,
worauf man sich
verlassen kann.
Es geht weiter
Vor der zweiten Vorlesung
lag ein Zettel an meinem Platz:
„Dringend 03312841704 anrufen.“
Ich ahnte den Grund.
Anrufen, ins Auto.
In jeder Sekunde glitten
50 Meter Autobahn
unter mir entlang.
Im Krankenhaus musste ich
mich erst zu ihr durchfragen,
mir fiel vor Aufregung
nicht mal ihr Name
auf Anhieb ein.
Sie kam aus ihrem
Zimmer geschlürft.
Wir setzten uns hin.
Ihr Gesicht war
an einigen Stellen genäht
und angeschwollen.
Nichts gebrochen,
eine Halskrause um.
Ich half ihr ein wenig
beim Gehen.
Ihr Auto war hinüber,
aber sie hatten sie problemlos
aus dem Wrack heraus geschnitten.
Am späten Nachmittag
fuhr ich noch einmal hin.
Ich stellte ihr einen Kaktus
auf den Nachttisch.
Wegen der Nähte im Gesicht
tat ihr das Lachen weh.
Als sie eingeschlafen war,
ging ich wieder.
Ein Typ lief mir fast in die Arme.
Er suchte einen 23-jährigen Mann,
der zusammengeschlagen wurde.
Er war vollkommen aufgedreht
und dachte wohl, ich arbeite dort.
Ich sagte ihm, er könne es ja mal
bei den akuten Unfällen
im Flur gegenüber
versuchen.
Fünf Minuten später stand ich
wieder im Stadtstau.
Im Autoradio liefen Lokalnachrichten:
„Am Berliner Platz wurde gestern
ein junger Mann von 5 Jugendlichen
brutal zusammengeschlagen ...“
Eine viertel Stunde später
schloss ich hinter mir
die Wohnungstür.
Nicht die Spur
einer Chance
Nachts um drei
auf dem Balkon bemerken,
dass es im Umkreis von einhundert Metern
drei verschiedne Sorten Straßenlampen gibt,
erregt vermutlich schon
Besorgnis.
Ich mühe mich
in diesem matt erhellten Dunkel
den Gedanken, der mich schon
seit Tagen nicht mehr loslässt,
endlich auf den Punkt zu bringen.
Ich finde keine Wörterfolge,
die das wiedergibt,
was in mir umnachtet ist.
Auch dieses Mal gibt der Gedankengang
sich nicht widerstandslos
selbst zu Protokoll.
Er windet sich
(vielleicht entgegen
dem Uhrzeigersinn?)
mit ständig neuen
Endstationen.
Ich verliere
jeden Faden,
stutze vor Begriffen,
suche in den Kellern
jener Türme,
in denen sich
die Fantasie verschanzt,
nach einem Fahrstuhl.
Ich gebe es auf
für heute.
Nachts,
um drei Uhr zehn.