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dezember 06
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Den Versuch ists wert

 

 

Bellende Libellen,

die in Zitadellen zittern,

Kakadus aus Katmandu,

Gedärme von Gendarmen,

Halunken in Spelunken,

Silhouetten fettleibiger

Operetten-Soubretten,

Primeln für Primaten,

Hünen hinter Dünen,

elegante Elefanten,

Kanuten mit Hüten,

infantile Infanteristen,

Scharlatane in Talaren,

Gazellen in Todeszellen,

umgeben von Wänden aus Zelluloid:

An manchen Tagen,

wie zum Beispiel heute,

spreizt nur wirres Zeug

sich zum Spagat

hinter meinen Augen,

zwischen meinen Ohren,

unterhalb der Kopfhaut,

mittendrin im Hirn.

 

Es sprudelt mir

aus meinen Stiften

ungeordnet aufs Papier.

 

Von den rauen Mengen

an nutzloser Wahrnehmung

denen ich ununterbrochen

wehrlos ausgeliefert bin

(weil sie auch entgegen meinem Willen

ungefragt Besitz ergreifen

von allen meinen Sinnen)

schaffe ich leider

nur einen Bruchteil

genauso mühelos

wie aufgenommen

wieder zu vergessen.

 

Und so kommt es,

dass ich manchmal das,

was mir im Kopf umher rennt,

zwanghaft aufschreibe,

um nicht vollends

abzudriften.

 

... immer auf der Suche

nach dem Stückchen

Lebenssinn,

das mir

die ersehnte Injektion

verpasst,

mich zu erlösen

von der Angst,

eines Tages doch

zu resignieren.

 

Meine lyrischen Versuche

führn uns sicher nicht

zum Endsieg über

Schreib- und Leseschwäche,

gnadenlose Scheidungskriege,

mentale Manövrierunfähigkeit,

Katzenjammer, Alkoholprobleme,

Falschmeldungen in Tageszeitungen,

berufsbedingte Wirbelsäulendeformierungen

und über geplatzte Trommelfelle (oder Träume).

 

Aber ich vergess den Einsatz,

spiel mit meinen wahren Karten.

 

Entweder gewinne ich

und gönne mir

das Überleben

oder das verhasste

Alltagsgrauen

kriegt mich

und verschluckt mich

ein für allemal

auf

 

Nimmerwiedersehen.

 

 

 

Es

 

 

Warum tu ich mir das an?

- nächtelang

unglückselige, hirnzerreißende

Angstgedanken –

Es kann so nicht mehr weitergehen.

 

Es kann gehen

aus meinem Leben.

Es: das ewige Zweifeln,

das Halb-vier-Uhr-nachts-Telefonieren,

das Herzrhythmus-durcheinander-Bringende.

 

Es wird schon noch vergehen,

verblühen, verenden,

irgendwann.

Wahrscheinlich.

 

Vielleicht jedoch

auch nicht.

Schließlich

ist Wahnsinn

allem Anschein nach

immerhin das Einzige

im Leben,

worauf man sich

verlassen kann.

 

 

 

Es geht weiter

 

 

Vor der zweiten Vorlesung

lag ein Zettel an meinem Platz:

„Dringend 03312841704 anrufen.“

 

Ich ahnte den Grund.

 

Anrufen, ins Auto.

In jeder Sekunde glitten

50 Meter Autobahn

unter mir entlang.

 

Im Krankenhaus musste ich

mich erst zu ihr durchfragen,

mir fiel vor Aufregung

nicht mal ihr Name

auf Anhieb ein.

 

Sie kam aus ihrem

Zimmer geschlürft.

Wir setzten uns hin.

Ihr Gesicht war

an einigen Stellen genäht

und angeschwollen.

Nichts gebrochen,

eine Halskrause um.

Ich half ihr ein wenig

beim Gehen.

  

Ihr Auto war hinüber,

aber sie hatten sie problemlos

aus dem Wrack heraus geschnitten.

 

Am späten Nachmittag

fuhr ich noch einmal hin.

Ich stellte ihr einen Kaktus

auf den Nachttisch.

Wegen der Nähte im Gesicht

tat ihr das Lachen weh.

 

Als sie eingeschlafen war,

ging ich wieder.

 

Ein Typ lief mir fast in die Arme.

Er suchte einen 23-jährigen Mann,

der zusammengeschlagen wurde.

Er war vollkommen aufgedreht

und dachte wohl, ich arbeite dort.

Ich sagte ihm, er könne es ja mal

bei den akuten Unfällen

im Flur gegenüber

versuchen.

 

Fünf Minuten später stand ich

wieder im Stadtstau.

Im Autoradio liefen Lokalnachrichten:

„Am Berliner Platz wurde gestern

ein junger Mann von 5 Jugendlichen

brutal zusammengeschlagen ...“

 

Eine viertel Stunde später

schloss ich hinter mir

die Wohnungstür.

 

 

 

Nicht die Spur

einer Chance

 

 

Nachts um drei

auf dem Balkon bemerken,

dass es im Umkreis von einhundert Metern

drei verschiedne Sorten Straßenlampen gibt,

erregt vermutlich schon

Besorgnis.

 

Ich mühe mich

in diesem matt erhellten Dunkel

den Gedanken, der mich schon

seit Tagen nicht mehr loslässt,

endlich auf den Punkt zu bringen.

 

Ich finde keine Wörterfolge,

die das wiedergibt,

was in mir umnachtet ist.

Auch dieses Mal gibt der Gedankengang

sich nicht widerstandslos

selbst zu Protokoll.

Er windet sich

(vielleicht entgegen

dem Uhrzeigersinn?)

mit ständig neuen

Endstationen.

 

Ich verliere

jeden Faden,

stutze vor Begriffen,

suche in den Kellern

jener Türme,

in denen sich

die Fantasie verschanzt,

nach einem Fahrstuhl.

 

Ich gebe es auf

für heute.

Nachts,

um drei Uhr zehn.


ohoa
ohoa@ohoa.de