Sinnflut
Gebrochnes Licht
das noch seine Macht verbirgt
schleicht sich
übern Rand der Landschaft.
Nur mühevoll,
doch unaufhaltsam
bezwingt Helligkeit
die schwarze Nacht.
Was diese in das Ungewisse sog,
kehrt nun zurück zu Tage.
Jeder Umriss
erscheint schärfer
nach und nach.
Schleierhafte Schwaden
schweben übern Boden.
Ringsum füllt sich Dunst
mit matten Farben.
Das Rot steigt auf,
das Blau, das Grün.
Alles Bunt wird immer bunter.
Nehme dies Erblühen
genießend und bewusst
in Ruhe wahr.
Freue mich
in diesem Augenblick,
dass so etwas Einfaches
immer noch vermag,
mich zu beeindrucken.
Kismet
Ist das ein russischer Akzent?
Nein, jugoslawisch.
Aber ich spreche auch
noch andere Sprachen,
meine Mutter kommt aus dem Kosovo.
Also auch albanisch noch.
Woher weißt du das?
Ich weiß, wie man dort spricht.
Würdest du auch eine Frau
aus einem anderen Land heiraten?
Das Land ist egal,
wenn sie mich liebt
und ich sie.
Du hast Liebeskummer.
Hm.
Versuch' sie schnell zu vergessen,
besser du siehst sie eine Weile nicht.
Ich seh' sie auch nicht
in nächster Zeit.
Es gibt so viele andere.
Wo?
Vielleicht läuft sie dir nachher
übern Weg.
Wenn es so sein soll: Ja.
Sonst nicht.
Wehrlos
Es müssen Stunden
gewesen sein,
die ich so da lag
auf dem Teppich
vor dem Bett
mit einem Ohr
am Boden.
Mehr heiß
als hell
weckt mich
halogenes Licht,
das mir
in den Nacken strahlt.
Benommen,
nicht fähig
zur Bewegung,
bin ich gezwungen,
mir anzuhören,
wie in drei Etagen
unter mir
die Türen schließen.
Wen verschließen sie?
Akustisch tut sich einiges
da unten:
Die Liebenden
streiten sich,
kaum dass sie
ihr Domizil
betreten haben.
Ihre Körper
verbiegen sich
voreinander
wie windgebeutelte Sonnenblumen,
stelle ich mir vor.
Im Grunde genommen
will ich mir
das gar nicht
vorstellen.
Doch was
bleibt mir
weiter übrig,
so wie ich da liege,
vollkommen erstarrt,
mit einem Ohr
am Fußboden?
Vorbei
Abgenutzt
sind deine Worte,
meine Reaktionen.
Gesten
voller Langeweile.
Nichts überrascht mehr.
Wie auch?
Zu oft gehörte Sätze
immer wieder
gleichen Inhalts;
viel zu berechenbar
der Wunsch
der hinter der Bewegung
deiner Hände steckt.
Versuch es lieber
gar nicht erst,
mich mit Zärtlichkeiten
einzulullen.
Diesmal meine ich es
ernst:
Es ist vorbei.
Schluss
Kalte Bettbezüge,
leergetrunkene Gläser.
Deine Briefe
liegen mir
zerrissen zu Füßen.
Mich zieht es
in die Unendlichkeit der Dunkelheit,
dorthin, wo mich der Nebel
unbesiegbar angähnt.
Presse meine Hände mir
in den Jackentaschen
an den Bauch.
Muss
die längst zerdachten Wunschgedanken
endlich aus mir raus bekommen.
Denn das Wir-zwei-sind-eins
gibts heute nicht mehr.
Es wird ab jetzt
Erinnerung.